Zunächst sei einmal gesagt, das der Rollenprüfstand selbst eigentlich genauer ist als sein Ruf, das setzt aber voraus, das die Leistungsmessung nach Vorschrift durchgeführt und vor allem der Prüfstand auch richtig bedient sowie das Messergebnis richtig interpretiert wird, und genau da liegt meist das Problem. Dazu kommen u.a. noch Komponenten wie Schlupf & Kühlluftgebläse die nicht gerade zur Genauigkeit der Messung beitragen
Aber dazu später mehr.
Zunächst einmal ein paar Basics zum Thema Leistung:
Die Leistung [P] berechnet sich aus Drehmoment [M] x Drehzahl [n] / 9550
Der Rollenprüfstand misst also keine Leistung sondern Drehmoment, das dann bezogen auf die jeweilige Drehzahl in Leistung umgerechnet wird!
Aus diesem Grund steigt die Leistung bei gleichbleibenden Drehmoment mit der Drehzahl an.
Das geht so lange, bis das Drehmoment soweit abfällt das es durch den höheren Multiplikator der Drehzahl nicht mehr kompensiert werden kann.
Ein Motor ist also umso schneller je weiter hinten im Drehzahlband die max. Leistung anliegt und im Verlauf möglichst kontinuierlich ansteigt.
Schaut man sich die Formel genauer an, fällt auf, das das gemessene Drehmoment bei einer Drehzahl von 7000 1/min ziemlich genau der Leistung (in PS) entspricht (Vergleicht das mal bei euren Leistungsdiagrammen).
Bis 1977 wurde bei der Motorleistung die Einheit PS (Pferdestärke) verwendet, seit 1977 lautet die Maßeinheit dafür kW (Kilowatt).
Seit 01.01.2010 ist in Deutschland die Angabe der Leistung in PS ohne die gleichzeitige Angabe in kW Verboten.
Der Umrechnungsfaktor von kW in PS lautet 1,36
1 kW sind also 1,36 PS oder 1PS = 0,74 kW
Alle werksseitigen Leistungsangaben beziehen sich immer auf die Leistung an der Kurbelwelle (bzw. Schwungscheibe) und werden auf einem Motorenprüfstand ermittelt.
Im Fahrzeugbetrieb geht aber ein nicht unbedeutender Anteil der Motorleistung auf dem Weg zum Rad (durch Getriebe, Achsen, Naben, Reifen,…) durch Reibungsverluste (Umwandlung der Leistung in Wärme) verloren.
Diese Verluste bezeichnet man als „Schlepp- oder Verlustleistung“.
Sie müssen also folglich zu der am Rad gemessene Leistung addiert werden, um auf die eigentliche Motorleistung (an der KW) zu kommen.
Bedeutet für eine auf dem Rollenprüfstand ermittelte Leistung also:
Radleistung + Schleppleistung = Motorleistung
Die Schlepp- bzw. Verlustleistung wird nach der Leistungsmessung durch das „ausrollen“ lassen bei getrennter Kupplung auf der Rolle ermittelt.
Die so ermittelte Leistung wird Multipliziert mit dem den Korrekturfaktor in die jeweilige Leistung unter Normbedingungen umgerechnet.
Es gibt mittlerweile viele verschiedene Normen für die Ermittlung der Motorleistung, die sich hinsichtlich der Bezugswerte für Luftdruck/Temperatur/Feuchte unterscheiden.
Der Zweck einer jeden Norm ist es Messungen unter verschiedenen Klimatischen Bedingungen miteinander vergleichbar zu machen.
Denn es sollte klar sein, das z.B. unterschiedliche Höhenlagen oder Ansauglufttemperaturen einen großen Einfluss auf den Füllungsgrad und somit die Leistung des Motors hat, und deshalb zwei verschiedene Messungen ohne Normen nicht miteinander vergleichbar wären.
Die gängigsten / bekanntesten Normen zur Leistungsermittlung sind:
DIN-70020 (bis 1980, nicht mehr aktuell)
Bezugswerte:
Luftdruck 1013mbar
Ansauglufttemperatur: 20 Grad
Die Umgebungslufttemperatur und die relative Luftfeuchte werden nicht berücksichtigt.
EWG-80/1269
Bezugswerte:
Luftdruck 990mbar (gültiger Messbereich 800-110mbar)
Ansauglufttemperatur: 25 Grad (gültiger Messbereich 15-35 Grad)
Die Umgebungslufttemperatur und die relative Luftfeuchte werden ebenfalls berücksichtigt.
ECE-R 85 (aktuell, gültig seit 2006)
Bezugswerte:
Luftdruck 990mbar (gültiger Messbereich 800-110mbar)
Ansauglufttemperatur: 25 Grad (gültiger Messbereich 15-30 Grad)
Gültiger Korrekturfaktorbereich ka: 0,93 - 1,07
Die Umgebungslufttemperatur und die relative Luftfeuchte werden ebenfalls berücksichtigt.
Messungen unterschiedlicher Normen können aufgrund abweichender Korrekturfaktoren nicht direkt miteinander Verglichen werden!
Am ungenauesten ist dabei die veraltete DIN-70020 Norm, daher können die Leistungsangaben unter DIN nicht mit den Herstellerangaben (EWG) verglichen werden, da diese teilweise um bis zu +3 % gegenüber der Werksangabe abweichen.
Der Umrechnungsfaktor von Din nach EWG PS ist etwa :
1 PS [DIN] = 0,969 PS [EWG]
oder
1 PS [EWG] = 1,032 PS [DIN]
Verschiedene Arten von Rollen-Leistungsprüfständen:
Neben der Antriebsart (Front bzw. Heck oder Allradprüfständen) wird auch noch nach der Art der Rollen unterschieden (zwei separate Rollen pro Rad, Achsweise verbundene oder Scheitelrollen)
Außerdem gibt es noch den Radnaben-Leistungsprüfstand.
Die derzeit am meisten verbreiteten Rollenprüfstände sind wohl die Maha LPS 2000 & LPS 3000 oder der Bosch FLA 206.
Noch besser sind Scheitelrollenprüfstände (z.B. der Maha MSR 1000) wie sie von AMG oder ABT eingesetzt werden, weil dabei die Räder auf einer Rolle laufen und nicht zwischen zwei Rollen eingelassen werden und somit doppelseitig verformt werden was zu einer höheren Schleppleistung führt.
Der König unter den Rollenprüfständen ist der Radnabenprüfstand, bei dem anstatt der Räder Messadapter auf die Radnaben montiert werden welche mechanisch mit dem Leistungsprüfstand verbunden sind. Somit wird die Leistung ohne Schlupf gemessen was die Messgenauigkeit deutlich erhöht. (und die eigenen Räder werden auch geschont).
Durchführung der Leistungsmessung:
Leistungsmessungen sollten möglichst im gültigen Klimatischen Grenzbereich der verwendeten Norm stattfinden (z.B. bei EWG-80/1269, Luftdruck: 800-110mbar, Ansauglufttemperatur: 15-35 Grad), also besser nicht im Winter oder Hochsommer!
Zwar werden auch Leistungsmessungen die außerhalb dieser Grenzwerte durchgeführt wurden per Korrekturfaktor auf die jeweiligen Normbedingungen umgerechnet, jenseits der genannten Grenzbereiche werden die Korrekturberechnungen aber zunehmend ungenau, weshalb bei der aktuell gültigen ECE-R85 Norm auch ein gültiger Korrekturfaktorbereich (0,93 - 1,07) festgelegt wurde, wird dieser überschritten ist das auf dem Prüfbericht zu vermerken.
- Der Fehlerspeicher von Motor und falls zutreffend des Automatikgetriebes sollte vor der Leistungsmessung leer sein, lassen sich Fehler nicht löschen, sollte das auf dem Prüfbericht vermerkt werden.
- Bei Allrad Fahrzeugen wird zuerst der Abstand der Messrollen genau auf den Achsabstand des zu messenden Fahrzeuges eingestellt.
- Dann wird das Fahrzeug ggf. mit Gurten am Boden verzurrt.
- Messequipment wird an den dafür vorgeschriebenen Stellen am Fahrzeug angebracht und die Fahrzeugdaten im Programm eingegeben.
- Alle zum Prüflauf nicht benötigten elektrischen Verbraucher im Fahrzeug ausschalten.
- Klimaanlage, Antischlupfregelung und Fahrzeug-Stabilisationsprogramme (z.B. ESP) ausschalten.
- Die Batterie sollte vor dem Prüflauf möglichst vollständig geladen sein.
- Auf korrekten Reifenluftdruck und ggf. Geschwindigkeitsindex der Reifen achten.
- Vor dem Start des eigentlichen Prüflaufs sollte das Fahrzeug unbedingt auf den Rollen „Eingefahren“ werden (min. 5 min bei ca. 100km/h), um den Schlupf möglichst gering zu halten.
- Die Leistungsmessung soll im möglichst direkt übersetzten Gang durchgeführt werden, im Zweifelsfall den nächst höheren verwenden (bei Automatikfahrzeugen ohne KickDown Beschleunigen).
Zunächst wird die Radleistung ermittelt.
Die Messung startet bei ca. 1500 – 2000rpm im gewählten Gang und endet im Drehzahlbegrenzer.
Das Drehzahlband sollte für eine möglichst genaue Messung wegen der Masseträgheit nicht zu schnell durchfahren werden (min. 90sec)!
Bei Turbomotoren ist hierbei ein Kompromiss zwischen zwischen dem dynamischen verhalten und dem Erreichen der Saugrohr-Grenztemperatur zu finden.
Nach Erreichen des Drehzahlbegrenzers wird die Kupplung getrennt und man lässt die Räder selbstständig (ohne Bremseingriff!) bis zum Stillstand auslaufen , dabei wird die Schleppleistung ermittelt.
Nach der dynamischen Messung sollten zusätzlich auch noch interessante feste Drehzahlpunkte angefahren werden (z.B. höchstes Drehmoment/ Leistung).
Die gemessene Radleistung plus Schleppleistung ergibt dann die berechnete Motorleistung an der KW, per Korrekturfaktor wird diese Leistung auf Normbedingungen umgerechnet.
Rad.- und Schleppleistung darf man dabei nie getrennt sehen, denn nur die Summe aus beiden ist Prüfstandsbedingt aussagefähig
Aussagekraft einer Leistungsmessung per Rollenprüfstand:
Die Summe aus Schleppleistung und Radleistung entspricht bei einer idealen Messung schon in etwa +/- 2 % genau der Motorleistung, die Rad- und Schleppleistungen entsprechen aber nicht der Realität auf der Straße.
Hinzu kommen noch Fehler durch zu große Korrekturfaktoren wenn die Messung außerhalb des Klimatischen Grenzbereichs stattgefunden hat.
Das größte Problem aller Leistungsprüfstände ist aber, das mit den vorhandenen Prüfstandsgebläse nicht genügend „Fahrtwind“ simuliert werden kann und somit auch die Kühlung von Motor (Ansaugluft, LLK, Kühlwassertemperatur) und Abgasanlage (beeinflusst den Abgasgegendruck) unzureichend ist, was (gerade bei Aufgeladenen Motoren) zum Teil großen Einfluss auf die Leistung hat!
Wer schon mal bei 100km/h den Kopf aus dem Fenster gehalten hat, kann sich lebhaft vorstellen das er sich bei Geschwindigkeiten von über 200Km/h wohl kaum noch auf den Beinen halten kann, was aber neben dem Prüfstandsgebläse Problemlos möglich ist.
Und wenn sich deswegen der motorseitige Lüfter zuschaltet, geht das natürlich noch zusätzlich zu Lasten der gemessenen Motorleistung.
Vergleiche der Radleistung:
Der Prüfstandsübergreifende Vergleich von reinen Radleistungen (was manche gerne machen), ist ohne die Angabe der rotierenden Massen des verwendeten Prüfstandsrollensatz sinnlos. Eine Veränderung dieser rotierenden Massen um nur 10% verändert auch die gemessene Radleistung um den gleichen Faktor.
Vergleiche der Schleppleistung:
Der Prüfstandsübergreifende Vergleich der Schleppleistung ist noch unsinniger.
Erstens sind die auf der Rolle gemessenen Schleppleistungen viel höher als im realen Betrieb auf der Straße und zweitens hängt die Schleppleistung auch stark von der Ausführung des Rollenprüfstandes ab (Scheitelrollenprüfstände sind dabei besser, da das Rad auf der Rolle läuft und nicht zwischen zwei Rollen „eingeklemmt“ ist). Zu große Scheitelrollen haben wiederum den Nachteil eines zu hohen Massenträgheitsmoments.
Es muss auch noch zwischen der Antriebsart unterschieden werden. Bei Allradangetriebenen Fahrzeuge liegt die Schleppleistung normalerweise im Bereich von 20 % der Motorleistung Fahrzeugen während sie bei Front oder Heckgetriebenen Fahrzeugen bei ca. 10 % der Motorleistung liegt.
Auch unterschiedliche Spannung beim Verzurren, Reifengröße-/Druck ect… sind weitere Dinge die eine Leistungsvergleich per Schleppleistung verunmöglichen.
Nochmals: Nur die Summe von Rad UND Verlustleistung ist überhaupt Aussagekräftig!
Glaubwürdigkeit von Rollenprüfstandsmessungen:
Wie schon gesagt liegt die Genauigkeit eines Rollenprüfstands unter idealen Bedingungen bei +/- 2% aber Fakt ist auch, nirgendwo sind Manipulationen (unwissentlich oder gar vorsätzlich) so leicht möglich wie bei dieser Methode der Leistungsermittlung.
Ein Tuner wird eine Leistungsmessung vor und nach Änderungen am Motor immer so durchführen, das er dabei selbst im besten Licht steht. Manche vertrauen dabei auch nur ihrer eigenen Messung /Prüfstand und es gibt Fälle in denen der Kunde dabei nicht einmal zuschauen darf. Ein Schelm wer Böses dabei denkt.
Aber abgesehen von schwarzen Schafen gibt es bei dieser Messmethode zahlreiche andere Fehlerquellen, z.B.
- Falscher Messpunkt der Ansauglufttemperatur
- Minderleistung mangels ausreichend großem Prüfstands-Kühlgebläse
- Falsche/unvollständige Korrekturfaktoren
- Falsche Durchführung des Prüflaufes
- Zu hoher Schlupf (besonders bei potenten Fahrzeugen)
- Zu hohe Schleppleistung durch nicht vollständig getrennte Kupplung, defektes Radlager, klemmende Bremsbeläge, Fehler der Achsgeometrie (Spur, Sturz, Nachlauf), unterschiedlicher Spannung beim Verzurren…
Alle hier genannten Fehlerquellen können die Motorleistung auf dem Papier beeinflussen!
Fazit:
Ein Prüfstandslauf kann wenn er unter den gleichen Bedingungen und Prüfstand stattfindet helfen Motorische Veränderungen (Tuning) zu bewerten, oder aber den (Serienmäßigen) Motor unter Normbedingungen mit den Werksangaben zu Vergleichen.
Ein Prüfstandslauf unter Idealbedingungen ist durchaus Aussagekräftig, kommt aber nie an die Genauigkeit und Aussagekraft eines „echten“ Motorenprüfstands heran.
Der beste und einfachste Weg um das Resultat von Tuningmaßnahmen zu beantworten ist daher die Beschleunigungsmessung auf der Straße.
Papier ist geduldig, und glaube nie einem Prüfprotokoll das du nicht selbst gefälscht hast
Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 12 Gäste